Verlegerisches Handeln als aufklärerische Praxis – Christian Friedrich Voss (und Sohn) und die Literatur des 18. Jahrhunderts

Verlegerisches Handeln als aufklärerische Praxis – Christian Friedrich Voss (und Sohn) und die Literatur des 18. Jahrhunderts

Veranstalter
Maximilian Bach (Wolfenbüttel), Kai Bremer (FU Berlin) und Magdalena Fricke (FU Berlin)
Gefördert durch
Fritz Thyssen Stiftung
PLZ
14195
Ort
Berlin
Land
Deutschland
Findet statt
In Präsenz
Vom - Bis
30.09.2024 - 02.10.2024
Deadline
15.05.2024
Von
Magdalena Fricke, Freie Universität Berlin

Im Rahmen einer interdisziplinären Tagung werden anlässlich des 300. Geburtstags von Christian Friedrich Voss d. Ä literatur-, wissens-, presse- und buchgeschichtlich orientierte Forscher:innen Voss und Sohn als herausragende Vertreter der Druck- und Verlagskultur des 18. Jahrhunderts diskutieren und aktuelle Entwicklungen der Buch- und Verlagsforschung mit der jüngeren Ideen- und Wissensgeschichte verbinden.

Verlegerisches Handeln als aufklärerische Praxis – Christian Friedrich Voss (und Sohn) und die Literatur des 18. Jahrhunderts

Die Verleger Christian Friedrich Voss d. Ä. (1724–1795) und Christian Friedrich Voss d. J. (1755–1795) zählen aus ideen-, netzwerk-, institutionsgeschichtlicher Perspektive zu den prägenden Akteuren der deutschsprachigen und europäischen Aufklärungsbewegung. Das Programm ihres Verlags entsteht in rund 50-jähriger Tätigkeit, umfasst ca. 700 Titel aus verschiedenen Sachgebieten und vereint ein facetten- und spannungsreiches Spektrum von ‚Spielarten‘ der Aufklärung.

Das Verlagsprogramm
Voss d. Ä. und Voss d. J. sind vor allem als Verleger von Dichtern wie Christian Fürchtegott Gellert, Johann Wilhelm Ludwig Gleim, Ewald von Kleist, Gotthold Ephraim Lessing und Karl Wilhelm Ramler bekannt. Als Inhaber der Berlinischen privilegirten Zeitung und Verleger der Schriften Friedrichs II. – darunter der posthumen Gesamtausgabe seiner Werke, die seit 1788 erscheint – steuern sie aber auch maßgeblich die zeitgenössische Wahrnehmung der intellektuellen und politischen Aktivitäten des preußischen Königs. Bei ihnen erscheinen die Werke von zentralen Autoren der jüdischen Aufklärung (Moses Mendelssohn, Aaron Salomon Gumpertz, Markus Herz, Salomon Maimon, Lazarus Bendavid) und der Berliner Neologen (Johann Joachim Spalding, Wilhelm Abraham Teller, August Wilhelm und Friedrich Samuel Gottfried Sack).
Voss d. Ä. gelingt es darüber hinaus, prominente Naturwissenschaftler und Ärzte an seine Zeitung bzw. seinen Verlag zu binden, darunter Christlob Mylius, Albrecht von Haller, den Chemiker Johann Heinrich Pott und weitere Mitglieder der Berliner Akademie der Wissenschaften wie den Mediziner Georg Ernst Stahl d. J., den Botaniker Johann Gottlieb Gleditsch und den Chirurgen August Friedrich Pallas. Zu nennen wären auch die Werke Leonhard Eulers, Johann Andreas Christian Michelsens und Abel Burjas – alle drei Mathematiker und Mitglieder der Berliner Akademie der Wissenschaften.
Auch radikalere Strömungen der Aufklärung sind im Vossischen Verlagsprogramm präsent. So bedingt die Vernetzung mit dem frankophonen Umfeld Friedrichs II., dass verschiedene Schriften Julien Offray de La Mettries bei Voss erscheinen. Ab den 1770er Jahren verlegt Voss die sozialkritischen Schriften des Königsberger Polizeipräsidenten und Kant-Freundes Theodor Gottlieb Hippel, etwa dessen Abhandlung Ueber die Ehe (1774) und Ueber die bürgerliche Verbesserung der Weiber (1792). In den 1790er Jahren kommen Veröffentlichungen des Reiseschriftstellers, Naturforschers und Revolutionssympathisanten Georg Forster hinzu.

Schwerpunkte des Tagungsprogramms
In Anbetracht der Prominenz der exemplarisch genannten Autoren erstaunt es, dass der Verlag in der Forschung kaum Aufmerksamkeit erfahren hat. So ist die Pionierarbeit von Arend Buchholtz (Die Vossische Zeitung. Geschichtliche Rückblicke auf drei Jahrhunderte, Berlin 1904) ohne Fortsetzung geblieben. Die geplante Tagung markiert folglich einen Neueinsatz der Erforschung der Vossischen Verlagsgeschichte. Sie setzt hierbei drei Schwerpunkte:

1. Ökonomie, organisatorische Koordination und printmediales Agieren: Am Beispiel von Voss und Sohn wird der Verschränkung von wirtschaftlicher Strategie, Produktionsorganisation und Entwicklung des Verlagsprogramms nachgegangen (Kooperationspraktiken zwischen Verlagsakteuren, Autoren, Graphikern und Berliner Druckern, Herstellungs- und gestalterische Aspekte der Buchproduktion u.a.). Da das Agieren der beiden Voss durch die Personalunion von Verlag, Zeitungsredaktion und Buchhandlung gekennzeichnet ist, ist auch zu fragen, wie Verlagsprogramm, Zeitungsfeuilleton und Rezensionen sowie Werbemaßnahmen in der Vossischen Zeitung koordiniert werden und welche organisatorischen und medialen Logiken dabei eine Rolle spielen.

2. Institutionelle und personelle Verflechtungen: Das Buchprogramm der beiden Voss zeugt von den vielfältigen Verbindungen des Berliner Verlagshauses zu Vertretern der politischen Elite des preußischen Staats und kulturpolitischen Institutionen in der Hauptstadt – darunter die Königliche Akademie der Wissenschaften, das Obercollegium medicum und das Oberkonsistorium. Die konkrete Ausgestaltung dieser Verbindungen und ihre Bedeutung für die Verankerung des Verlags im intellektuellen Feld der preußischen Hauptstadt bedürfen einer genaueren Untersuchung.

3. Verlegerische Programmatik: Das Verlagsangebot der beiden Voss zeichnet sich einerseits durch ein vergleichsweise klar konturiertes aufklärerisches Programm aus und ist andererseits durch eine gewisse diskursive Breite geprägt: Neben neologische und wolffianische treten naturwissenschaftlich-praktische sowie radikalaufklärerisch-materialistische Positionen; zur Indienstnahme durch den preußischen König kommt der Einsatz für Kritiker und erklärte Gegner des Ancien Régime. Diese Vielfalt im Verlagsprogramm gilt es exemplarisch zu analysieren, im Verlauf der Verlagsgeschichte nachzuzeichnen und schließlich nach den Wechselwirkungen, intellektuellen Korrespondenzen und möglichen Konkurrenzen zwischen verschiedenen Verlagssegmenten zu fragen.

Bitte senden Sie Ihre Themenvorschläge für einen 30-minütigen Vortrag, ein kurzes Abstract (max. 2500 Zeichen) und eine knappe biobibliografische Notiz bis zum 15. Mai 2024 per E-Mail an bach.maximilian@web.de, kai.bremer@fu-berlin.de und magdalena.fricke@fu-berlin.de. Besonders willkommen sind Beiträge zu dem naturwissenschaftlich-medizinischen Verlagssegment, den institutionellen und personellen Verflechtungen des Verlagshauses, den bei Voss erschienenen Fachzeitschriften oder den Illustratoren des Verlags (Meil, Schleuen, Chodowiecki u.a.). Reise- und Übernachtungskosten werden übernommen. Eine Veröffentlichung der Beiträge in einem Sammelband ist geplant.

Kontakt

magdalena.fricke@fu-berlin.de

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